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Der New York Marathon

Zweiundvierzig Komma Zwei Kilometer
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Autorin

Andrea Monica Hug

Noch während ihrem Journalismus-Studium gründete Andrea Monica Hug den Street Style Blog «Chic in Zurich» — heute arbeitet sie als selbständige Fotografin und reist für Aufträge immer wieder mal um die Welt. Die Zürcherin berichtet für elsewhere aus ihrer Lieblingsstadt New York.

Das grosse Ziel

Das New York-Fieber packte Andrea Monica Hug auch bei ihrer vierten Reise in den Big Apple. Dieses Mal sogar noch etwas mehr, denn sie reiste mit einer grossen Mission an: den New York Marathon zu bestreiten. Mit dem Laufen hatte Andrea erst im April 2015 angefangen. Für elsewhere berichtet sie von ihrer langen Reise mit Markus Ryffel’s und Kuoni bis ans Ende der Zweiundvierzig Komma Zwei Kilometer. 

180 Läufer stehen am Flughafen in New York. Wie eine grosse Schulklasse steht jeder neben seinem Koffer, es liegt Spannung in der Luft, und die Turnschuhe an den Füssen der Reisenden verraten: Hier sind angehende Marathonläufer unterwegs. Wir werden von Markus Ryffel’s am Flughafen begrüsst und in drei grossen Reisebussen zur «TCS New York City Marathon Health and Wellness Expo» gefahren, wo wir uns als Erstes für den Marathon registrieren und die Startnummer abholen. Stolz pinnen sich die ersten Läufer bereits die Nummer auf die Brust. «Es fühlt sich alles so wahnsinnig aufregend an!» sage ich zu meinem Kollegen Elia aus dem Tessin, den ich auf der Reise im Bus kennengelernt hatte. Er nickt nur und strahlt. Ich kaufe mir ein gebrandetes Shirt als Erinnerungsstück und treffe mich wieder mit den anderen beim Eingang. Noch nie fühlte ich mich so derart gut auf eine Reise vorbereitet wie jetzt. Alles ist durchgeplant, sauber notiert und festgehalten in einer hübschen Stoffmappe, die ich zuvor von Kuoni per Post erhalten hatte. Inklusive Reiseplan, Strassenkarte, Broschüren und Reisetipps. Fantastisch. 

Wir laufen in zwei Gruppen aufgeteilt zu unserem Hotel. Dabei handelt es sich nicht um irgendein New Yorker Hotel, sondern um das «Le Parker Méridien». Als wir die Eingangshalle betreten, fühle ich mich wie in einem Film. So luxuriös, so riesig, so New York! Bei der Ankunft im Zimmer kann ich mich dann nicht mehr zurückhalten und schreie einmal ganz laut. Direkt vor meinen Augen — es ist wie im Traum — liegt mir der Central Park zu Füssen. Ich kann meinen Blick kaum von der Aussicht abwenden. Unter Freudentränen rufe ich meine Eltern und Freunde an, um Bescheid zu geben, dass ich angekommen bin. Doch dies ist erst der Anfang der wichtigsten Reise meines Lebens.

«Good Luck for the Marathon!»

In den nächsten Tagen fühle ich mich wie ein Schwamm, sauge alles auf, was New York mir gibt und geniesse jede Minute. Obwohl ich alleine angereist bin, habe ich nun zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, einsam zu sein. Die zwei Tage vor dem Marathon beginnen jeweils mit einem Trainingslauf mit Markus Ryffel’s, dem sogenannten «Footing», bei dem wir uns zusammen — in gemütlichem Jogging-Tempo — einen Teil der Marathonstrecke anschauen. Das Wetter ist herrlich, Vorfreude liegt in der Luft, und Businessleute und Strassenreiniger rufen einem anerkennend zu «Good Luck for the Marathon!». Auf dem neun Kilometer langen Trainingslauf einen Tag vor dem Marathon erzählt mir Dieter, 76 Jahre alt, dass dies sein 18. Marathon sei. Er rechne mit circa fünf Stunden. Ich hoffe insgeheim, dass ich das auch schaffe. Dieter lacht mich an und klopft mir auf die Schulter: «Das wird schon!». 

Am Abend vor dem Marathon, gesättigt von einer riesigen Portion Pasta, schaue ich mir im Bett auf Youtube noch den Motivationstalk einer erfolgreichen Marathonläuferin an. Sie sagt im Video: «Immer wenn ich denke, ich kann nicht mehr, dann stelle ich mir vor ich sei Beyoncé!» — lustig, denn Beyoncé ist noch nie einen Marathon gelaufen. Dafür wird uns morgen die Sängerin Alicia Keys begleiten. Mich und die 50 000 anderen Marathonläufer. 

Der Marathon

Auch in der restlichen nervenaufreibenden Zeit werde ich nicht enttäuscht: die Begleitung von Kuoni ist stets bemerkbar — ob mit dem Kuoni Stand während dem Marathon, der uns Läufern stärkende Snacks verteilt, oder mit dem gemeinsamen Nachtessen am Sonntag nach dem Lauf — ich muss mich nie um etwas kümmern und kann mich gänzlich auf mein Ziel konzentrieren: den Marathon zu bezwingen. 

Sonntagmorgen um 4.30 Uhr sind bereits alle aus der Gruppe auf den Beinen und wuseln im Hotel herum. Es gibt Weissbrot, Kaffee und Spaghetti am Buffet, ein Saal ist extra für uns hergerichtet worden und sogar mit Schweizerflaggen dekoriert. Noch verschlafen aber bereits nervös werden wir in die Busse gesteckt, die uns zum Start an der Verrazzano-Brücke fahren, wo das Abenteuer New York City Marathon ein paar Stunden später losgeht. 

Auf dem Startgelände teilen wir uns ein riesiges Feld mit tausenden von Menschen aus aller Welt. Sie liegen eingeteilt in ihren Sektoren da, wie Sardellen in Plastikfolien eingepackt, um nicht zu frieren. Die wärmenden Kleider werden später kurz vor dem Start auf den Boden geworfen und einem Hilfswerk gespendet. Das Telefonnetz bricht immer wieder zusammen. Letzte SMS werden verschickt. Die Stimmung ist friedlich. Noch einen letzten Happen in den Mund stecken und ein paar Schlucke trinken, bevor es losgeht. 

SHOOT! Der Startschuss fällt, und wir rennen los. Das Adrenalin fliesst durch unsere Adern, die Leute am Strassenrand rufen uns zu, als ob jeder einzelne von uns ihr erstgeborenes Kind wäre, und wir laufen, und laufen, und laufen. Farbige Schilder und laute Musik bahnen uns den Weg durch die fünf New Yorker Stadtteile. Ich leide, kämpfe und weine auf den 42.2 Kilometern. Ich passiere einen Getränkestand nach dem andern, will aufgeben, renne aber weiter. Mein Laufpartner Elia hat ebenfalls aufgehört zu sprechen, und wir werfen uns nur noch vielsagende Blicke zu.

Die Ziellinie ist in Sichtweite, die Gedanken spielen verrückt, der Körper schmerzt und die Masse schreit noch lauter als zuvor. Vier Stunden, zweiunddreissig Minuten und dreiunddreissig Sekunden hat meine Reise gedauert. Stolz trage ich die Finisher-Medaille — jeder, der den Lauf beendet hat, bekommt sie um den Hals gehängt — Elia fällt mir um den Hals, ebenfalls geschwächt — aber überglücklich.

Mehr Infos auf: http://www.tcsnycmarathon.org / http://www.markusryffels.ch/de/new-york-city-marathon / www.reise-sport.ch

Fotos: Andrea Monica Hug / Keith Morrison / TCS NYC Marathon