Mein Heraklion

Ein Spaziergang durch die grösste Stadt Kretas
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Autorin

Eleni Psyllaki

Eleni Psyllaki ist Innenarchitektin und lebt auf der griechischen Insel Kreta. Neben lokalen Innenarchitekturprojekten betreut sie Kunden auf der ganzen Welt über ein personalisiertes e-Design-System. Ihr vielfach ausgezeichneter Design-Blog My Paradissi, ist Inspirationsquelle für ein zufriedenes und kreatives Leben. Eleni Psyllaki ist zudem Co-Autorin des ersten vollständig von Bloggern verfassten gesamteuropäischen Buches «Wohnideen aus dem wahren Leben: Inspirationen der besten Wohnblogger». 

Schätze hinter Betonfassaden

Heraklion ist die grösste und zweifellos lebendigste Stadt auf Kreta, wenn auch ganz sicher nicht die schönste. Der Charme der Stadt erschliesst sich dem Besucher erst allmählich, über persönliche Erlebnisse und Entdeckungen. 

Ich lebe schon fast mein ganzes Leben im Stadtzentrum, und ich versichere Ihnen, dass sich hinter der modernen und oft anarchisch anmutenden Betonfassade wahre Schätze verbergen, die Heraklion zu einer der inspirierendsten und liebenswertesten Städte der Welt machen. Herzstück von Heraklion ist sicher die von einer gewaltigen venezianischen Festungsmauer eingefasste, jahrhundertealte Altstadt. Dort finden sich auch die meisten Sehenswürdigkeiten, allesamt zu Fuss erreichbar. 

Die von der Wehrmauer umgebene Altstadt mit ihrem Labyrinth schmaler Gassen lässt sich sehr gut zu Fuss erkunden. Hier verbergen sich in oft verwinkelten Sackgassen zahlreiche verlassene alte Stadthäuser, die einen zauberhaften Kontrast zu den meist hässlichen modernen Wohnblocks bilden. Allenthalben trifft man auf Überreste längst vergangener Tage wie eine Statue, einen Brunnen oder Ruinenfragmente – interessante Highlights für aufgeschlossene Entdecker. Den malerischen oder imposanten Charakter anderer alter Städte sucht man in Heraklion vergebens, doch gibt es hier verborgene Schönheiten zu entdecken, die sich nur jenen erschliessen, die neugierig genug sind, sich auf Schatzsuche zu begeben.

Die alte venezianische Stadtmauer gibt eine reizvolle Route vor, um die Stadt aus unterschiedlichen Perspektiven auf sich wirken zu lassen. Sie ist so breit, dass auf ihr ein Wegenetz angelegt wurde, das sogar durch kleine Parkanlagen führt, die sich zu Fuss oder mit dem Rad erkunden lassen und einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt bieten. Sehenswert sind zudem die zahlreichen Tore in der Mauer, über welche die Bewohner einst die Stadt betraten und verliessen und die auch dazu dienten, sich wirksam vor feindlichen Eindringlingen zu schützen. Lange Bogengänge führen an verschiedenen Stellen in beeindruckender Weise durch das gewaltige Mauerwerk hindurch. Die in einem Dreieck um die Stadt angelegte Festungsmauer reicht an zwei Stellen bis ans Wasser, und wer Zeit und Lust hat, ihrem gesamten Verlauf zu folgen, wird einen wunderbaren Spaziergang erleben. 

Der alte Hafen von Heraklion zählt zweifellos zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Heraklion war (und ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch) ein Handelszentrum in strategisch günstiger Lage am Mittelmeer. Einst wurde der Hafen von zahlreichen Schiffen angelaufen, die Waren aus allen Teilen der Welt an Bord hatten, und er entwickelte sich für Händler, Fischer und Einheimische zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mittelpunkt der Stadt. Ein Handelszentrum findet sich hier heute nicht mehr, doch die alten Mauern des majestätischen venezianischen Kastells Koules und der Neoria bieten Einheimischen und Touristen eine wunderbare Kulisse für entspannte Mussestunden. 

So gehört an warmen Sommertagen ein Spaziergang entlang der alten Kaimauer in der Abenddämmerung zu den Höhepunkten eines Aufenthalts in der Altstadt. Dort trifft man auch auf zahlreiche Einheimische, welche die Abendstunden zum Joggen, Radfahren oder einfach nur für einen Plausch nutzen. Vom Leuchtturm, der am Ende der rund 2,5 km langen Hafenmole liegt, hat man einen wundervollen Panoramablick auf die Stadt, besonders am Abend, wenn in den Strassen die ersten Lichter angehen. 

Heraklion, oder Iráklio, wie es die Einheimischen nennen, ist nicht eben berühmt für seine grünen, üppig bepflanzten Parkanlagen. Tatsächlich herrscht ein Mangel an schattenspendenden grünen Oasen. Dafür ist das Blau des Meeres allgegenwärtig. Da sich die Stadt parallel zur Küste erstreckt, gibt es neben dem alten Hafen noch zahlreiche weitere Stellen, von denen sich die scheinbar endlose Weite des Meeres geniessen lässt. Von einer Parkbank am Ufer aufs Meer zu schauen, gehört zu den entspannendsten Beschäftigungen, denen man in dieser Stadt nachgehen kann. 

Eines aber ist für alle Besucher Heraklions so gut wie sicher: Sie verlassen die Stadt ein paar Pfunde schwerer als bei ihrer Anreise. Meine Freunde beklagen sich jedes Mal aufs Neue darüber, auch wenn sie nur wenige Tage hier verbringen. Kreta ist ganz allgemein berühmt für seine hervorragende Küche und seine unglaubliche Obst- und Gemüsevielfalt das ganze Jahr hindurch. Zu den Erzeugnissen der Insel gehören extra natives Olivenöl, Oliven, Honig, Wein sowie eine grosse Auswahl an Trockenfrüchten und Nüssen. In der Altstadt gibt es zahlreiche Märkte, auf denen man allerlei Köstlichkeiten findet. Die zwei wohl bekanntesten Märkte sind jener in der Gasse Odos 1866 und der Biomarkt, der zweimal wöchentlich im Georgiadi Park stattfindet. 

In Heraklion gibt es unzählige Cafés und Tavernen. Kein Wunder: Bei rund 300 Sonnentagen im Jahr findet sich stets Zeit für eine Erfrischung oder einen Plausch mit Freunden in einem der Dutzenden kleinen Cafés in einem Park, an einem Platz oder andernorts in der Stadt. Hier vergeht die Zeit ein wenig langsamer. Liontaria, Korai und Eleftherias sind die drei grössten Plätze im Stadtzentrum. Dort kann man unter Einheimischen entspannt einen Eiskaffee geniessen. Zum Abendessen ist das Angebot unendlich vielfältig. In vielen Tavernen werden frischer Fisch und Fleischgerichte aus der Region serviert, doch es gibt auch Lokale, die eine gehobenere oder internationale Küche anbieten. Gerne trifft man sich auch zu Raki (lokaler Schnaps) und Meze (verschiedene Häppchen in kleinen Portionen) in einem Café oder einer Taverne, eine leichtere, aber nicht minder köstliche Alternative zum herkömmlichen Abendessen. Das Nachtleben ist ebenfalls erstaunlich, da in der Stadt bis in die Morgenstunden etwas los ist. Bars, Cafés und Tavernen, in denen man noch nach 02.00 Uhr am Morgen etwas trinken oder essen kann, haben hier Tradition. 

Es heisst, ein Besuch auf Kreta sei eine Reise der Sinne, und dies gilt ganz besonders für die Hauptstadt Heraklion. Das hat nicht nur mit Geschichte zu tun, mit den Ruinen und Museen überall in der Stadt, mit den kleinen Stränden und ihrem in der strahlenden Sonne glitzernden kristallklaren Wasser, nicht einmal mit dem erstaunlichen Angebot an kulinarischen Köstlichkeiten und Getränken von der Insel. Es ist weit mehr als das. Es ist das Gefühl, loslassen zu können, es sich gutgehen zu lassen und stressfreie Tage zu verbringen voller kleiner Freuden, die Besuchern wie Einheimischen ein Glücksgefühl bescheren.