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Nur nicht nach unten sehen. Die schweissnassen Finger rutschen Stück für Stück vom heissen Fels. Jeder verlorene Millimeter des Felskontakts sendet Wellen der Panik durch den ganzen Körper. Unten, ganz weit unter mir glitzert die Meeresoberfläche in der Sonne. Meine Ohren vernehmen die gedämpften Rufe meiner Freunde vom Boot. Mit brennenden Unterarmen packe ich erneut zu, platziere die Zehenspitzen der Kletterschuhe sorgfältig und arbeite mich einen weiteren Meter nach oben. Plötzlich gleitet der rechte Fuss ab und mein Herz setzt einen Schlag aus. Ich falle.
Während mein Körper mit einer Beschleunigung von 9.8m/s2 durch die feuchtwarme Luft Südostasiens saust, verstummen die Zuschauer auf dem kleinen Boot schlagartig. Auch wenn beim Deep Water Solo-Klettern, kurz DWS, die Frage nach dem Fall nicht «ob?» sondern «wann?» lautet, ist ein ungewollter Abgang aus grosser Höhe doch immer wieder ein faszinierendes Spektakel für alle Beteiligten. Bei dieser Sportart wird allein und ohne Seil (=Solo), nur mit Kletterschuhen ausgerüstet über tiefem Meerwasser geklettert. Die Routenwahl ist beim DWS grösstenteils frei, ebenso die Entscheidung, bis zu welcher Höhe geklettert wird.
Wenige Stunden zuvor, als ich zusammen mit meinen zwei Begleitern am Strand von Ton Sai beim Frühstück sass und die frischen Bananen gegen freche Affen verteidigte, wussten wir noch nicht genau, was uns erwartete. Der kleine Ort im Süden Thailands ist unter Kletterern bekannt für seine Vielzahl an Felskletterrouten und die relaxte Atmosphäre. Neben der Mischung aus Strand und Klettersport hatte uns aber insbesondere die grosse Zahl an DWS-Möglichkeiten angezogen. Als wir um 10:00 Uhr morgens zusammen mit sechs weiteren Kletterern und zwei Guides das motorisierte Longboat bestiegen, war die Spannung entsprechend gross.
Mit geschlossenen Beinen und an den Körper gepressten Armen treffe ich auf der Oberfläche auf und tauche ein. Das türkisfarbene Wasser ist warm und bremst meinen Fall sofort ab. Trotzdem braucht es drei beherzte Schwimmbewegungen, um wieder an die Oberfläche zurück zu kommen. Als mein Kopf die Oberfläche durchstösst und ich gierig nach Luft schnappe, brandet im Boot Applaus auf. Ein thailändischer Guide kommt auf seinem Kanu zu mir gefahren, hebt seine Hand zum High Five und lacht durch schiefe Zähne: «Next time more high!»
Die Möglichkeiten, um neben der Kletterform auch die mentale Stärke zu testen, sind zahlreich vorhanden. Viele der vordefinierten Routen enden erst in über 10 Meter Höhe und können meist beliebig nach oben hin erweitert werden. Einige der lokalen Klassiker gehen sogar bis zu einer Höhe von 20 Meter. Unkontrollierte Abgänge sind aus diesen Höhen allerdings tunlichst zu vermeiden.
Ton Sai liegt etwas südlich von Krabi auf dem thailändischen Festland, kann aber wegen des undurchdringlichen Dschungels nur mit dem Boot vom Badeort Ao Nang aus erreicht werden. Nur ein kleiner Dschungelabschnitt trennt Ton Sai von Railley Beach, der in vielen Reiseberichten als einer der schönsten Strände Thailands gerühmt wird. Trotz der Nähe könnten die beiden Orte unterschiedlicher nicht sein. Während in Railley Tagestouristen und Hotelanlagen überwiegen, ticken die Uhren in Ton Sai anders. Die meisten Unterkünfte sind einfach und günstig, nur wenige Bungalows verfügen über Klimaanlagen. Dafür spannen sich Hängematten und Slacklines zwischen den Bäumen und die Dschungelwege sind fest in der Hand von diebischen Makaken-Clans. Aufmerksame Beobachter entdecken mit etwas Glück auch Leguane von prähistorischen Ausmassen, die sich vorzugshalber im Bachbett aufhalten. Wer seine Ferien in Ton Sai verbringt, will entweder aktiv Entschleunigen oder Klettern.
Nach der stundenlangen Endlosschlaufe aus Klettern, Fallen, Tauchen, Schwimmen, Klettern treffen wir erschöpft wieder am Strand von Ton Sai ein. Unsere von Salzwasser und Sonne ausgetrockneten Kehlen dürsten nach einem kühlen Singha auf der holzgezimmerten Liegefläche vor der Freedom Bar, die einen perfekten Ausblick über Strand, Meer und Kletterfelsen bietet. Während die Taten des Tages besprochen werden und ein Singha dem nächsten folgt, versinkt die Sonne im Meer. Als es schliesslich ganz dunkel ist, versammeln sich Einheimische und Kletterer mit weissen Papierlaternen am Strand. Es ist die Zeit von Loi Krathong, dem thailändischen Lichterfest. Symbolisch werden mit den fliegenden Laternen schlechte Gedanken fortgeschickt, während die zurückbleibende Seele gereinigt neu beginnen kann. Auch wir zünden die Brennkörper unserer Laternen an und halten die Papierhülle aufrecht, bis sie sich von innen mit genügend heisser Luft gefüllt hat, damit sie von allein aufsteigen kann. Dann stehen wir alle am Strand, wortlos mit in den Nacken gelegten Köpfen, und sehen den Laternen nach, wie sie mühelos der Schwerkraft entkommen, gegen die wir den ganzen Tag gekämpft haben.
Fotos: Harald Schreiber