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Kommt nicht in Frage, für mich gibt es nur eins: gleich wieder abheben, und zwar am frühen Abend mit der Seilbahn hinauf auf den Tafelberg! Es gibt keine bessere Einstimmung in einen Kapstadt-Trip. Mit dabei: das Sunset Special der Seilbahn (ab 18 Uhr fährt man zum halben Preis), gute Freunde, Snacks und eine Flasche Schampus.
Auf knapp über 1000 Metern erwischt einen das 360-Grad-Panorama kalt. Berge, Buchten, Stadt, Meer in immer neuen Variationen. Im Norden der Hafen und die Innenstadt, in der Ferne die Insel Robben Island, auf der Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela vom Apartheid-Regime gefangen gehalten wurden. Im Süden blickt man über die Berggipfel der Zwölf Apostel bis weit hinunter zum Cape Point, dem südlichsten Zipfel der Bergkette, die sich bis zum Signal Hill im Norden erstreckt. Schließlich, wenn man Kapstadt in jede Himmelsrichtung eingesogen hat, muss man sich nur noch auf ein Mäuerchen am Rand des Plateaus setzen, die Füsse baumeln und den Korken knallen lassen, bis die Sonne ‚links’ von Robben Island im Meer versinkt.
Und dann: hinunter, eintauchen in den Mikrokosmos. Ins flirrende Treiben von Woodstock, jenem Stadtteil unweit des Hafens, der seit wenigen Jahren eine unglaubliche Metamorphose erlebt. Von düsteren Strassenzügen in der Hand von Gangs und Gewalt zum heute angesagtesten Viertel. Wie so oft – man denke an Williamsburg in New York oder Mitte in Berlin – kamen zuerst die Künstler und Kreativen.
Wer sich für das Cutting Edge an zeitgenössischer Kunst aus der Region interessiert, dem sei meine Lieblingsgalerie Michael Stevenson in der Sir Lowry Road empfohlen. In modernen hellen Räumen mit wackeligem Parkettboden zeigt der scharfsinnige Kunsthistoriker Stevenson aufregende, substanzielle Künstler aus Südafrika und dem übrigen Afrika.
Samstags lockt der Neighbourgoods Market auf das Backsteingelände der Old Biscuit Mill. Ich lasse mir als erstes am Eingang zur Markthalle eine Kokosnuss aufschneiden und schlendere dann schlürfend zwischen den Ständen mit regionalen Leckereien entlang. Neben dem Markt beherbergt die Old Biscuit Mill kleine Läden, beispielsweise die feine Keramikmanufaktur Imiso, deren Produkte auch im Nationalmuseum und im Londoner Conran-Shop stehen. Der Trödelladen Deer Hunter ist nicht nur für seine schrägen alten Spielzeuge, Platten und Vintage-Kleidung einen Besuch wert, sondern auch für die sehr modernen Afrochic-Clutchbags von Maria McCloy (Michelle Obama und ich haben auch eine). Im hintersten Eck der Old Biscuit Mill versteckt sich das Restaurant The Test Kitchen, wo Luke Dale-Roberts seine preisgekrönten Geschmacksfeuerwerke zündet. Die Wartezeit beträgt bis zu drei Monate. Es lohnt sich.
Das Gegenstück zum urbanen Trubel in Woodstock ist die Stille am Strand von Noordhoek. Kapstadt ist wirklich nicht arm an schönen Stränden, aber für mich ist Noordhoek der schönste von allen. Um ihn in seiner ganzen Länge zu überblicken, kommt man am besten von Hout Bay über den Chapman’s Peak Drive. Diese Strecke wäre auch ohne Noordhoek eine Fahrt wert. 114 Kurven voller dramatischer Kliffperspektiven hoch über dem Atlantik machen sie zu einer der aufregendsten Küstenfahrten der Welt. Bald sieht man den mehr als acht Kilometer langen Strand von Noordhoek unter sich auftauchen. Unberührte Feuchtgebiete, die unter dem Schutz des Nationalparks stehen, schützen den Strand und machen ihn ideal für lange Spaziergänge, zum Picknicken, um dem Wind zu lauschen oder den Pferden zuzuschauen, die täglich über den Sand traben.
Neulich im The Fugard, dem nach dem bekanntesten südafrikanischen Dramatiker benannten Theater. Der Eingang das Überbleibsel einer Kirche aus dem 19. Jahrhundert, mit pittoresken Kirchenfenstern, das Hauptgebäude ein ehemaliges Warenlager für Stoffe. Gespielt wurde ein Kammerstück, das sich mit der Apartheid-Vergangenheit auseinandersetzt. Nur zwei Schauspieler, die eine tatsächliche Begegnung zwischen einer Psychologin und einem zu 212 Jahren verurteilten Apartheid-Polizisten darstellen. Eine halbe Stunde nach Beginn beugt sich meine, mir unbekannte, Nachbarin herüber und flüstert ergriffen: «Das ist so real, als wären es die echten Personen von damals.» Nach der Vorführung kommen wir im Foyer ins Gespräch über Kapstadt damals und heute.
Die Eindringlichkeit, die Intensität des Theaters und der Begegnungen dort verdankt sich auch seinem Ort. The Fugard steht im District Six, einem bis 1966 dicht bevölkerten, demographisch gemischten Stadtviertel. Nachdem das Apartheid-Regime District Six zu einem Gebiet nur für Weisse erklärte, wurden mehr als 60.000 Menschen deportiert, ihre Häuser niedergewalzt. Das hervorragende District Six Museum, nur einen Block entfernt vom The Fugard, sei jedem ans Herz gelegt, der sich eine Vorstellung von der Geschichte Kapstadts machen will.
Ausgelassen und fröhlich, ganz in der Gegenwart, geht es in dem bezaubernden Schwimmbad des Viertels Sea Point zu. So spektakulär über dem Meer liegt der öffentliche Swimming Pool, dass die britische Zeitung «The Guardian» ihn kürzlich zu einem der zehn besten der Welt zählte. Die Wassertemperatur wird ganz altmodisch täglich per Hand über dem Eingang eingetragen, doch drinnen blitzen moderne Becken. Einheimische und Touristen sonnen sich auf dem Rasen, Athleten und Sonntagsschwimmer ziehen ihre Bahnen im Olympiabecken.
Der Pool liegt an der Sea Point Promenade, die sich an der Atlantikküste bis zum Leuchtturm in Mouille Point zieht. Jogger, Eltern mit Kinderwagen, Verliebte – sie alle bevölkern den breiten Weg zwischen dem Tafelberg und den Supertankern, die weit draussen auf dem Meer den Hafen ansteuern.
Überhaupt, Sea Point. Wenn man von ein paar Betonklötzen an der Promenade absieht, hat es ein geradezu dörfliches Flair, mit einem Schuss Bohème. Die Bevölkerung ist in jeder Hinsicht gemischt: schwarz, weiss, jung, alt, arm, reich. In den kleinen Gassen verstecken sich zauberhafte Cafés. Und neue Trends werden hier besonders schnell angenommen. Ein solcher Trend ist der Verleih von Fahrrädern, zum Beispiel gleich neben dem Swimming Pool.
Mit Begeisterung haben die Capetonians auch das Auftauchen von Craft Beer begrüsst, qualitativ sehr hochwertigem Bier aus kleinen, feinen Brauereien. Gestartet hat den Trend das &Union im Stadtzentrum, Ecke Bree und Church Street. Neben einer Auswahl an eigenen Biersorten lassen sich an langen Tischen herzhafte Burger und Steaks in entspannter Kneipenatmosphäre verdrücken. Eins der allerneuesten Szenelokale ist das schicke Mondiall an der V&A Waterfront. «Hip and happening», so beschreibt es meine amerikanische Freundin und Cape-Town-Insiderin Lee kurz und treffend. Sie hat recht: Besonders an den Tischen draussen auf dem Holzdeck ist es ideal zum Essen, Trinken und abwechselnd Wasser-, Berge- und Leute-Gucken.
Der Botanische Garten von Kirstenbosch ist beides, er ist kultivierte Natur. Bei meinem letzten Besuch begrüsste mich gleich hinter dem Eingang die rote Farbexplosion der Fireball Lilys, die fast den Durchmesser meines Laptops haben. Ob auf endlosen Blumenwiesen, über die quietsch-orangene Honigsauger auf Nektarsuche flattern, oder im schattigen Arboretum mit Waldfeigen und Kap-Saffran – der Garten ist ein ganzjähriger Blüten- und Sinnentraum.
Noch dazu schmiegt er sich malerisch an die Osthänge des Tafelbergs, und wenn plötzlich dunkel-dramatische Wolkenformationen über den Tafelberg rollen, ist die Kulisse perfekt. Perfekt für das Open-Air-Kino, das im Sommer fast immer ausverkauft ist. Perfekt für die Sonntagskonzerte im Sommer, wenn – gefühlt – halb Kapstadt mit Picknickkörben und Decken bewaffnet den Garten stürmt.
Mindestens eine Aktivität steht mir noch bevor, die hebe ich auf für mutigere Zeiten. Paragliding. Für den Moment schaue ich lieber von unten zu, wie die erfahrenen Gleitflieger vom Signal Hill abspringen, über dem Stadtzentrum ihre Kreise ziehen und schließlich an der Sea Point Promenade landen.
Kapstadt ist: Nicht wählen müssen. Natur und Kultur. Abheben und eintauchen. Hier ist alles möglich.
Fotos: Tim Wege
Wer in Kapstadt lebt und outdoor-begeistert ist, der ist mit grosser Wahrscheinlichkeit auch schon gesurft. Doch seit kurzem haben die Capetonians einen neuen Wasserspass für sich entdeckt, er heisst SUP und das Gute daran: Man muss nicht supersportlich sein. Ich weiss, wovon ich rede.
SUP steht für stand up paddling, Stehpaddeln. Man steht aufrecht auf einem Surfbrett, bewegt sich mithilfe eines Paddels vorwärts und fühlt sich dabei königlich. In seinen frühen Anfängen auf Hawaii tatsächlich nur dem König vorbehalten, SUP’en in Kapstadt alle, von wackeligen Anfängern bis zu Surf-Profis. Der Reiz für die Anfänger: es ist schnell gelernt, alles, was es braucht, ist eine durchschnittliche Koordinationsfähigkeit. Der Reiz für die Profis: Mit SUP können sie ihrer Bewegungslust eben auch bei Windstille nachgehen. Die richtig guten Stehpaddler allerdings gleiten mit ihren Brettern auch elegant über hohe Wellen und messen sich in eigenen Wettkämpfen.
Ich habe SUP in der Roxy Surf School in Muizenberg gelernt und wollte gar nicht mehr runter vom Brett. Muizenberg ist ideal für Anfänger, denn wenn das Meer auch nur den Hauch von schaumigen Wellenspitzen zeigt, ziehen die ehemalige Profi-Surferin Roxy oder ihre Trainer mit den Anfängern kurzerhand um zu einem zwei Minuten entfernten See, wo man garantiert nicht den Wellen die Schuld dafür geben kann, wenn man ins Wasser plumpst.