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Wir standen da. An der Shibuya-Kreuzung in Tokio. Der wohl verrücktesten Stadt unserer ganzen Weltreise. An DER Kreuzung aller Kreuzungen. Und glauben Sie uns: Nichts schreit mehr «Welcome to Tokio» als dieser Platz. Hier überqueren während der Rushhour pro Ampelphase bis zu 15 000 Personen die Strasse! Und mit ein bisschen Glück und Timing steuern auch noch Mario und Luigi im «Real Life» Mario Kart vorbei.
Auf den ersten Blick wirkt die 10-Millionen-Megacity Japans hektisch. Unsere Sinne wurden von Leuchtreklamen und japanischen Schriftzeichen vollkommen überflutet. Die Menschenmassen hinterliessen einen überwältigenden und unüberschaubaren Eindruck. In einem zweiten Moment hingegen rückten das ruhige Wesen und der respektvolle Umgang der Japaner untereinander, aber auch mit uns als Besucher, in den Vordergrund.
Essen auf Japanisch – wem kommt da nicht zuallererst Sushi in den Sinn? Stimmts? Und dann kommt lange nichts mehr. Dabei ist das weltweit beliebte Fischgericht nur die Spitze eines grossartigen kulinarischen Eisberges.
Auf den Strassen Japans wimmelt es von Ramen-Restaurants. Die schlichten, überschaubaren Lokale würden wir wohl eher als Imbissbude bezeichnen. Zu Japan gehören sie mindestens genauso wie Sojasauce zu Sushi. Bestellt wird an einem Automaten. Man drückt eine der auf Japanisch beschrifteten Tasten und hofft dann einfach, das Richtige bestellt zu haben, und lässt sich überraschen.
Man könnte in Versuchung geraten, Ramen als Fast Food zu bezeichnen. Zwischen Bestellung und dem ersten Löffel vergehen nämlich meist keine fünf Minuten, und mit umgerechnet acht Franken ist auch der grösste Hunger gestillt. Wohltuend also für unser Weltreise-Budget! Nichtsdestotrotz wird auch hier − wie überall in Japan − ausserordentlicher Wert auf die Qualität der Zutaten gelegt. So ist von der Brühe bis hin zu den Nudeln alles frisch und hausgemacht. Perfekt auch für unsere Foodi-Herzen.
Unterwegs von Tokio nach Hiroshima sausten mit 320 km/h zuerst noch eine ganze Weile Betonklötze und Wolkenkratzer an unserem Fensterplatz vorbei. Doch dann bekamen wir endlich die japanische Landschaft zu Gesicht. Und obwohl uns gut 10 000 km von unserer fernen Heimat trennten, kam uns bei diesem Anblick ein Blitzgedanke: die Schweiz.
Für unsere Reise durch Japan hatten wir uns für eine Woche einen Japan Rail Pass gegönnt. Mit diesem konnten wir bequem für 250 Franken mit allen Zügen inklusive der Ultraschnellzüge − den sogenannten Shinkansen − durch das ganze Land reisen. Und falls wir Schweizer immer noch der festen Meinung sind, dass WIR die Pünktlichkeit erfunden hätten, dann haben wir die Japaner definitiv irgendwo unterwegs vergessen: Die Schnellzüge haben dort im Durchschnitt unverschämte sechs Sekunden Verspätung.
Der Name einer der bekanntesten Städte Japans, wird bis heute mit einem grausamen Atomangriff in Verbindung gebracht. Doch Hiroshima trotzt mit einem Friedensmuseum, einem Friedensmonument und einem Friedenspark seinem Schicksal. Das Wort Krieg wurde ein für alle Mal weggelassen.
Rund um uns wickelte die rosa Kirschblüte diese graue Stadt in ein unvergleichbar sanftes Kleid. Die Japaner schätzen die Blütezeit mit jedem Jahr aufs Neue als Zeichen von Schönheit, Aufbruch und Vergänglichkeit. So sehr, dass sie dieser Zeit des Jahres sogar ein eigenes Ritual widmen: Hanami – so nennen die Japaner das ein für alle Mal, bei dem sich Familie und Freunde unter den blühenden Bäumen im Park versammeln, gemeinsam picknicken und einander Zeit schenken. Umgeben einem Meer von Kirschblüten schmeckt in Reis und Algenblatt gerollter Fisch mindestens doppelt so gut. So viel können wir sagen.
Viel wussten wir vor unserer Reise nach Japan nicht über dieses einzigartige Land. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat es bei uns Eindrücke hinterlassen, die wir ein Leben lang mit uns tragen werden. Und während wir vor zwölf Monaten bei Japan noch an Sushi, Samurai und Sumo-Ringer dachten, schwärmen wir heute von Shibuya, Ramen und Hanami.
Text & Bilder: Postcards for your kitchen (Andrina Bräm & Giuseppe Mischa Russo)
Erstveröffentlichung: 19. Juni 2018