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Geheimtipp Piemont

Wo die Erde den Barolo verschenkt
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Autorin

Shirley-Ann Amberg

Nach Abstechern als Model in den Metropolen Mailand und Kapstadt, überdies einigen Jahren im Controlling einer Grossbank, machte Shirley-Ann Amberg ihre Leidenschaft zum Beruf und absolvierte die Ausbildung als Sommelière am Zürichsee, wo sie auch geboren wurde. Neben Wine&Dines und Weinkursen optimiert sie Weinkarten, arbeitet an einem Weinbuch und schreibt freiberuflich Weinkolumnen für diverse Schweizer Zeitschriften und Zeitungen wie die annabelle, 20 Minuten, die Bilanz, die NZZ und den Weinwisser.

Mountainbiker, die keine Steigungen scheuen; Wanderer, die vom Anblick üppiger Weinreben nicht genug bekommen; Künstler, die versuchen, die Schönheit dieses Fleckleins Erde mit Kamera oder Pinsel einzufangen — sie alle haben das Piemont längst für sich entdeckt. 

Doch auch wenn es hier die grössten Berge, den längsten Fluss, die köstlichsten Weine und die wohl beste Küche Italiens gibt, ist die Region touristisch nur wenig erschlossen und gilt nach wie vor als Geheimtipp. Einzig das Gebiet rund um den Lago Maggiore bildet die Ausnahme. Das Piemont liegt im Nordwesten Italiens, grenzt an die Schweizer Kantone Wallis und Tessin sowie an Frankreich und ist auf drei Seiten von den Alpen umgeben. Passenderweise bedeutet Piemont: am Fusse des Berges. Meine Tipps für Sportliche und Naturliebhaber: 

  • Velotouren: Besonders entlang des Pos und in der Gegend von Vercelli gibt es wunderbare Velowege für Gross und Klein. Auch für Mountainbiker gibt es extra Routen, so zum Beispiel entlang des Ufers des Sesia. 

  • Wanderwege: Die Hügel und Täler des Piemonts laden ein zu langen Wanderungen verschiedener Schwierigkeitsgrade. So führt ein Teil der berühmten Via Alpina — dem grenzüberschreitenden Wanderweg von Triest nach Monaco — durch das Piemont vom Monte Viso bis zu den Bergen von Verbania. Zudem gibt es viele Entdeckungspfade in den Talkminen im Val Germanasca und Pilgerstrecken zu den Sacri Monti. Unterwegs begegnen einem bezaubernde Kapellenanlagen und Pilgerstätten, die eine symbolische und spirituelle Bedeutung für das Christentum haben. 

  • Wassersport: Auf dem Lago Maggiore lassen sich so einige neue Sportarten ausprobieren: sei es Segeln, Windsurfen, Kanufahren oder einfach nur den See vom Boot aus geniessen. 

  • Ski: Piemont ist auch im Winter besuchenswert. In Ferienorten wie Sestriere oder Susatal stehen Pisten für Langläufer und Skifahrer sowie Eisflächen für Schlittschuhläufer zur Verfügung. 

Das Piemont begann erst vor kurzem, seine touristischen Fühler etwas auszustrecken. Von der Olympiade im Jahre 2006 profitierten viele Städte und Dörfer, wurde doch reichlich Geld in die Renovation von Kirchen, Burgen und Strassen investiert. Es gibt vieles, was man in den Städten Piemonts unternehmen kann. Hier meine Tipps, wenn Kultur im Zentrum steht: 

  • Roddi: Der vermutlich malerischste Dorfplatz befindet sich im Städtchen Roddi. Der Anblick der spätbarocken Kirche Chiesa dell'Assunta und der mittelalterlichen Burg, welche hoch über dem Tal heraufragt, grenzt beinahe an Kitsch. 

  • Cherasco: Das kleine Dorf mit den sternförmigen Stadtmauern ist ein für Historik-Fans unverzichtbares Reiseziel. Im Jahre 1796 wurde dort der Waffenstillstand mit dem Königshaus Savoyens unterzeichnet. Sammler lieben Cherasco wegen seinem Antiquitätenmarkt, der als der bedeutendste in ganz Italien gilt. Naschkatzen sollten unbedingt die typischen «Baci di Cherasco» versuchen; eine Leckerei aus Schokolade und Haselnüssen.

  • Turin: Die Hauptstadt des Piemonts gehört den Fussgängern, und das trotz ihrer Autoindustrie. Dies ist vor allem den Baumeistern des Barocks zu verdanken, die die Strassen des Zentrums mit Arkaden von insgesamt 18 Kilometern Länge säumten. Unter diesen hohen und historischen Bögen finden sich heute schmucke Strassencafés neben edlen Boutiquen, dazwischen singen Strassenmusiker. Die Arkaden lenken Besucher automatisch zu den beschaulichen Plätzen, etwa der Piazza San Carlo mit den barocken Kirchen San Carlo und Santa Cristina. Die Einwohner Turins bezeichnen ihre Stadt als die schweizerischste Italiens: sauber, ruhig und geordnet, die Menschen diskret, leise und unaufgeregt. Wer die typische Italianità sucht, ist hier wohl eher fehl am Platz. Ein Besuch der Hauptstadt lohnt sich aber auf jeden Fall. Selbst nur schon wegen dem Blick auf die grazile Kuppel der «Mole Antonelliana» und den Glasaufzug. Unter dieser Kuppelkonstruktion, welche als Glanzleistung traditioneller Baukunst berühmt ist, befindet sich das Museo Nazionale del Cinema, das bedeutendste Filmmuseum Italiens. Sehr empfehlenswert ist auch der Dom mit dem Grabtuch Christi. Zeit sollte auch für das Museo Egizio eingeplant werden —Turin beherbergt eine wichtige Sammlung ägyptischer Altertümer. 

  • Schlösser und Burgen: Kunst und Kultur, Legenden und Traditionen vereinen sich in dieser Region Italiens. Ein faszinierendes Kulturerbe von unschätzbarem Wert wiederspiegelt sich auch in den Schlösser und Burgen, die hier beheimatet sind. Berühmt dafür sind vor allem die Gemeinden Alba und Asti — auf fast jedem Hügel finden sich die imposanten Mauern eines Schlosses oder eines Turms. Da leider viele Schlösser und Burgen Privateigentum sind, können diese nicht besucht und nur von aussen bestaunt werden. Im Schloss von Novello hingegen kann man sogar eine königliche Nacht verbringen. Noch immer strahlt es eingehüllt in seinem neugotischen Mantel und dient heute als Hotel. 

Was die Besucher des Piemonts mit Abstand am meisten begeistert, ist nicht etwa ein Bauwerk, sondern der Wein. Die Zahl der Enotheken und Weinmuseen ist beeindruckend; zudem locken höchst professionelle, aber auch sehr familiär gehaltene Degustationen, die einem die piemontesische Kultur in flüssiger Form näherbringen. Hier meine Tipps, wie und wo man regionalen Wein am besten geniessen und erleben kann: 

  • Weinrouten: Eine der schönsten Weinrouten beginnt in Verduno, wo sich auch einer der spektakulärsten Aussichtspunkte des Piemonts befindet. Neben Barolo wird hier auch Pelaverga gekeltert, ein duftiger und leichter Rotwein aus Trauben, die ausschliesslich auf den Hügeln rund um das Dorf gedeihen. Nur einen Steinwurf entfernt liegt das idyllische La Morra, auf dessen Dorfplatz ein Denkmal den italienischen Weinbauern würdigt. Ganz in der Nähe befindet sich auch das bildschöne, aus dem 18. Jahrhundert stammende Palazzo Marchesi di Barolo, in dessen prächtigem Gewölbekeller eine berauschende Anzahl Weine zur Verkostung bereit stehen. 

  • Weinmuseen: Im Keller des romanisch-barocken Benediktinerklosters, der Chiesa dell’Annunziata in la Morra, befindet sich das Weinmuseum Museo Ratti di Vini d’Alba. Ein nicht nur für Weinliebhaber besuchenswerter Keller. 

Was könnte zu Wein wohl besser passen als italienische Spezialitäten? Die Auswahl an gediegenen Restaurants und urchigen Osterien ist gewaltig. Die Heimat des Trüffels erstreckt sich auf einer Fläche von rund 25 000 Quadratkilometern, auf denen über 50 Guide Michelin Restaurants zu finden. Hier meine Tipps für Feinschmecker: 

  • Villa Tiboldi: Mein Favorit ist das Ristorante der Villa Tiboldi in Canale. Zwischen den eigenen Rebbergen gelegen, bietet dieses prächtige Relais einen atemberaubenden Ausblick auf die Hügel von Langhe und Roero. Es stehen zehn individuell und mit viel Liebe zum Detail eingerichtete Zimmer zur Verfügung und ein traumhaft lauschiger Garten mit Pool lädt zum Lustwandeln ein. Wenig erstaunlich, dass in dieser Villa gerne und oft Hochzeiten gefeiert werden.

  • Zentrum des Trüffels: Für Gourmets und Gourmands ist das Piemont besonders im frühen Herbst zu empfehlen, beginnt im Oktober mit der Trüffeljagd doch die Hauptsaison. Wer nicht jagen und suchen mag, besucht Alba, die Trüffelhauptstadt Italiens. Hier finden seit 1929 jährlich das Trüffelfestival sowie die internationale Trüffelmesse statt.

Fotos: iStock