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Manchmal kann die Suche nach dem Paradies aufreibend sein. Nachdem ich mich stundenlang durch trägen, chaotischen Verkehr geschlängelt habe, Autos, Bussen, Lastwagen und vor allem einer Unmenge an moskitogleich über die Strassen schwirrenden Motorrädern ausgewichen bin und fast schon den Glauben verloren habe, je anzukommen, stehe ich nun unvermittelt am Rande eines Reisfeldes und staune. Ich habe es gefunden, das Paradies. Ehrfürchtig lasse ich meinen Blick über eine herrliche Landschaft geschwungener Reisterrassen schweifen, bade meine Augen im saftigen Grün junger Reispflanzen, an welchen Abertausende Tautropfen hängen. Die Tropfen glitzern wie Perlen im morgendlichen Sonnenlicht. Lausche Palmenhaine säumen die Flussläufe, welche durch die Reisfelder führen, im Hintergrund erhebt sich mäjestätisch Gunung Batukaru, Balis zweithöchster Vulkan. In Jatiluwih, wie sich dieses Paradies nennt, wird seit Jahrhunderten Reis angepflanzt. Es ist das ertragreichste Gebiet Balis für Reisanbau. Die terrassenförmige Landschaft verfügt über ein raffiniertes Wassersystem, welches das vom Vulkan herunterfliessende Frischwasser an alle Felder gleichmässig verteilt und vor zwei Jahren von der UNESCO gar zum Weltkulturerbe ernannt worden ist.
Solche Glücksmoment erlebt nur, wer Südbali, das massentouristische Zentrum der indonesischen Tropeninsel, mit dem berühmten Surferstrand Kuta und einem inzwischen austauschbaren Tourismusallerlei hinter sich lässt. Das echte, authentische Bali ist abseits der Touristenzentren hochlebendig und lässt sich vor allem im Innern der Insel, im Norden oder im Osten erleben. Also mache ich mich auf nach Nordbali, um den Schweizer Daniel Elber, der dort seit Jahren in einem Hilfsprojekt engagiert ist, auf einem Vulkantrekking zu begleiten.
Der Tag ist noch jung, als wir vom Ufer des tiefblauen Kratersees Batur aus loswandern. Die Luft scheint wie frisch gewaschen, tropische Vögel veranstalten ein fröhliches Singkonzert. Vor uns bewegen sich zwei zierliche Balinesinnen leichtfüssig in Flipflops über die Lavasteine. Die beiden jungen Frauen sind für die nächsten Stunden unsere Guides auf dem Weg zum Kraterrand und niemand würde denken, dass es sich bei ihnen um zwei ehemalige Bettlerinnen handelt, die dank dem Hilfswerk «Zukunft für Kinder» Arbeit bei dessen Trekking erhalten haben. Während wir in die Höhe steigen, erzählt Daniel, wie er seinen gut bezahlten Job bei einer Schweizer Grossbank nach 35 Jahren aufgegeben hat, um sich mit Beteiligung lokaler Experten der Wasserversorgung am staubtrockenen Nordhang von Balis höchstem Vulkan Gunung Agung anzunehmen. Die Kinder werden dort täglich statt zur Schule auf stundenlange Fussmärsche zum Wasser holen geschickt und die Frauen zum Betteln in die Touristenzentren. Bei einer der neuen Wasseranlagen des Hilfswerks erwartet uns das halbe Dorf, wir werden mit frischen Kokosnüssen beschenkt. Grosse Kinderaugen und zahnloses Lächeln alter Balinesinnen begleiten uns auf dem Weg hinunter zum Fusse des Vulkans, wo wir schliesslich müde aber glücklich von unserem Fahrern empfangen und für ein kühlendes Bad ans Meer gebracht werden, bevor wir uns wieder auf die Rückfahrt ins Inselinnere machen.
Zurück in Ubud, dem kulturellen Herz Balis, schlendere ich durch das lebendige Städtchen, welches eineinhalb Stunden von Balis Flughafen entfernt liegt, eingebettet in eine üppige Tropenlandschaft und gerne als Künstlerdorf beschrieben wird. Zwar ist Ubud heute mehr eine kleine Stadt denn ein Dorf, in der Hauptstrasse reihen sich Modeläden an Cafés, Restaurants und Souvenir-Shops, in Bussen anreisende Touristengruppen haben das malerische Städtchen tagsüber fest in ihrem Griff. Bei Sonnenuntergang allerdings erwacht das kulturelle Leben Ubuds, das wohl aktivste der ganzen Insel. Abend für Abend treten zahlreiche traditionelle Orchester, Tanz- und Theatergruppen vor kerzenbesetzten Tempeln oder in kleinen gemütlichen Restaurants auf.
Nach wie vor sind in und um Ubud viele Kunstschulen und Künstlerateliers zu finden, die ursprünglich den Ruf des Ortes prägten. Einer der in Ubud lebenden und wirkenden Künstler ist der Maler Wayan Karja. Ich besuche ihn in seinem Studio etwas ausserhalb des Städtchens. Wayan serviert mir Schwarztee mit viel Zucker, als wir uns in den verwunschenen Garten hinter seinem Atelier setzen. Balis Kultur sei eng mit der Religion verknüpft, erklärt er mir. 95% der Balinesen bekennen sich zum Hinduismus, das ist eine Ausnahme im muslimischen Inselstaat Indonesien. Das tägliche Leben ist durchsetzt von kleinen wie grossen, mit Hingabe zelebrierten Ritualen und Zeremonien für die Inselgötter. Im Zentrum steht die Balance – mit Gott und den Seinen, mit der Natur, in der Familie und in der dörflichen Gemeinschaft. Der hinduistische Glaube ans Karma und an die Wiedergeburt macht laut Wayan das friedliche Wesen der Balinesen aus. Als Bauern, die sie ursprünglich waren, verfügten die Balinesen zwischen Anpflanzen und Ernte immer über viel Extrazeit, die sie für die angenehmen Dinge des Lebens einsetzten. Für Musik und Tanz, für das Kunsthandwerk, für die Gemeinschaft, fürs Plaudern oder gerne auch für den Hahnenkampf.
Ihr Sinn für Spiel und Musse sowie eine erfrischende Portion Humor seien dafür verantwortlich, dass die Bewohner Balis gerne und oft lachen würden, meint Wayan schmunzelnd. Wer sich eingehender mit der balinesischen Kunst beschäftigen möchte, dem empfiehlt Wayan, sich das Neka Museum sowie das Arma Museum vorzunehmen. Beide Museen geben mit ihren umfassenden Sammlungen einen hervorragenden Überblick über die Kunstentwicklung in Ubud und auf Bali allgemein. Spannende zeitgenössische Kunst lässt sich zudem in der Komaneka Art Gallery an der Monkey Forest Road finden. Und ein besonders schönes Beispiel der Tanzkultur Balis ist der mystische Kecak-Tanz, welcher unter Mitwirkung von fast 100 der besten Tänzer Balis im hauseigenen Amphitheater des Luxusresorts «The Chedi Club» regelmässig Gänsehaut auf die Arme der Zuschauer zaubert.
Auf den Spuren des unverfälschten Balis steht unbedingt ein Ausflug in den Osten der Insel auf dem Programm. Nach dem Besuch des zauberhaften, von Touristen gerne übersehenen Wasserpalastes Taman Ujung in Amlapura, welcher in den 1940er-Jahren vom letzten König der Region Karangasem angelegt wurde, fahre ich zum Lunch ins traumhaft gelegene Restaurant Bali Asli.
Die innovative australische Küchenchefin Penelope Williams hat sich damit einen Traum erfüllt, nachdem sie bei verschiedenen grossen Köchen dieser Welt gearbeitet hat. Penny, wie sie gennant wird, kocht ausschliesslich balinesische Küche ganz traditionell auf dem Feuer, raffiniert ergänzt um zeitgenössische Kombinierlust. Zu sagen, dass sie für die balinesische Küche pure Leidenschaft empfinde, sei eine grobe Untertreibung, sagt Penny lachend über ihre grenzenlose Liebe zu Balis Kochtöpfen.
Auf dem Rückweg lege ich einen Halt im Bali-Aga-Dorf Tenganan ein. Die Dorfbewohner gehören zum ursprünglichsten Stamm der Balinesen, zelebrieren andere Rituale und Zeremonien als im restlichen Bali und sind bekannt für ihre aussergewöhnlichen, handgewobenen Doppel-Ikat-Stoffe. Für deren komplizierte Herstellung braucht eine Frau bis zu zwei Jahren. Angesteckt von der Faszination für das feine Tuch, kaufe ich mir auf dem Heimweg im Stoffmarkt in Klungkung, der ältesten Königsstadt Balis, einen wunderbar farbigen Sarong und einen Udeng, den typischen balinesischen Kopfschmuck für Männer während einer Zeremonie.
Bali ist eine Insel und so soll zum Schluss doch noch eine Lanze für etwas Strandleben gebrochen werden. Besonders entspannt ist dies in Jimbaran südlich des Flughafens, wo sich zum Sonnenuntergang Einheimische und Touristen gleichermassen entspannen, Kinder jauchzend in die Wellen springen, während die Sonne im Meer versinkt. Kaum ist der letzte Sonnenstrahl erloschen, werden auf den Tischen in den unzähligen Fischrestaurants direkt am Strand Kerzchen entzündet. Der Gast sucht sich den Fisch und die Garnelen in grossen eisgefüllten Bottichen vor dem Restauranteingang gleich selbst aus, diese werden dann über dem Kokosnussschalen-Feuer gegrillt und an die im Sand platzierten Tische gebracht. Auch wenn der letzte Bissen des köstlichen Fischs längst verzehrt ist, möchte man noch nicht aufstehen, sondern einfach noch ein wenig dem Wellenrauschen lauschen und schlicht die Zeit vergessen.
Fotos: Putu Sayoga / DER Touristik Suisse AG
Dank der Popularität von Kochbüchern und Kochshows sind auch Kochkurse wieder sehr in Mode. Auf Bali gibt es drei tolle Adressen, um sich eingehend mit der Inselküche zu beschäftigen. Am eindrücklichsten sind die Kurse der australischen Spitzenköchin Penelope Williams in ihrem wunderschön gelegenen Restaurant Bali Asli in Ostbali. Die Gäste besuchen vor der Kochklasse den lokalen Markt oder fahren mit einem Fischer frühmorgens aufs Meer hinaus und kochen dann in Pennys Küche ganz traditionell auf dem Feuer. Gespiesen wird auf der Terrasse des Restaurants mit herrlicher Sicht über die Reisfelder. Auch zu empfehlen sind die Kochklassen des Schweizer Kochs Heinz von Holzen in seinem Restaurant Bumbu Bali in Tanjung Benoa. In Ubud wiederum lohnen sich die Kochklassen von Kochbuchautorin Janet de Neefe im Casa Luna Restaurant.