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«Sollte man sie alle erschiessen, diese Krähen». Die Dame mit stark bayrischem Akzent ruft dies ihrem Gatten zu, während sie frühmorgens im Pool ihre Kreise zieht. Tatsächlich gibt es eine Schar von nicht eben schüchternen Vögeln, die zu weniger betriebsamen Stunden den idyllischen Hotelgarten bevölkern. Die Krähen flattern träge von Ast zu Sonnenschirm und zurück und scannen ihr Revier nach Essbarem. In der indischen Mythologie gelten sie als Unglücksboten – es heisst dass in Mumbai ein Schwarm gesichtet wurde, damals bevor die Terroristen kamen. Aber an diesem Morgen droht nichts Schlimmeres als ein bisschen Vogeldreck auf den sonst makellosen Liegen. Sobald man darauf Platz nimmt, bringt das Personal eine Flasche Mineralwasser und Sonnenschutzcreme vorbei. Die Ankunft am Vorabend hat sich etwas verzögert, weil das gesamte Gepäck der Business Class verloren gegangen war. Der junge Mann vom Nachbarsitz war ein Wirtschaftsstudent, der als Nebenjob mit Diamanten handelt. Er hatte die Eliteuniversitäten an der Ostküste der USA besucht, um zu entscheiden, wo er seinen Abschluss machen will. Ihm war das Versagen von Air India sichtbar peinlich. Für mich ist das verlorene Gepäck eher eine Erleichterung: kein Ladegerät, keine gebügelten Hemden, keine Unterlagen, die es abzuarbeiten gilt. Nichts spricht also dagegen, die nächsten zwei Tage mit gelegentlichen Sprüngen in den Pool und dem sehr empfehlenswerten kulturellen Schnellkurs über Indien, «Despite of the Gods», des britischen Journalisten Edward Luce zu verbringen. Ausser vielleicht Folgendem:
Direkt vor dem Hotel Oberoi bieten Strassenhändler Kleidung, spinnenförmige Massagegeräte, Lederwaren und dubiose Kleinstelektronik an. Dazwischen schlängeln sich Männer, die ihre nahegelegenen Cashmereläden anpreisen, und ausgemergelte Mütter mit ihren Säuglingen im Arm, die den Touristen auffordernd die leere Milchflasche an die Rippen drücken. Der Gegensatz zur plätschernden Welt des Hotels könnte nicht krasser sein. Der Schritt auf die Jawaharlal Nehru Road ist insofern ein heilsamer Schock. Einen Block weiter liegt der New Market, der sich über mehrere Hallen und Etagen erstreckt. Jede Art von indischer Tracht, Stoff und Schmuck lässt sich hier finden; jeder Europäer wird hier sofort als potenzieller Pashmina-Käufer identifiziert und mit Nachdruck in den einen oder anderen Stand gebeten. Verhandlungsgeschick bitte im Handgepäck mitbringen. Auch die Fähigkeit, Nein zu sagen.
Die heiligste Heilige der Neuzeit stammte aus Albanien, aber ihr Name ist untrennbar mit dem Elend Kalkuttas (wie es damals noch hiess) verbunden. Im ersten Stock des Klosters Missionaries of Charity, das man nur barfuss betreten darf, erinnert eine Skulptur an ihren Stammplatz: direkt neben dem Eingang zum Andachtsraum kauerte Mutter Theresa bis ins hohe Alter und trotz aller Gebrechen auf einem flachen Sitzkissen. Ein paar Nonnen singen, von draussen dringt der Verkehrslärm, auch beim flüchtigen Besuch stellt sich Demut ein. Wer einmal durchs nächtliche Kolkata gefahren ist und hunderte von Obdachlosen auf den Bürgersteigen hat schlafen sehen, der zweifelt nicht an der ungebrochenen Aktualität ihrer Mission.
Selbst die Fassaden von armen und ärmsten Geschäften werden in Kolkata mit Blumen geschmückt, für religiöse Zeremonien und Familienfeiern sind sie ohnehin unabdingbar. Aus dem weiteren Umland wird ein nicht abreissender Strom an Blüten in die Stadt geliefert und hier auf engstem Raum verkauft, am Fuss der Howrah-Brücke, über die täglich zwei Millionen Menschen die Flussseite wechseln. Händler balancieren prall gefüllte Säcke, oft grösser als sie selbst, auf den Köpfen und drängeln durch die engen Gassen, in denen eine Schicht platt getrampelter Blumen modert. Die Luft ist erfüllt mit Blumenduft, Räucherkerzen und Kompostaroma. Wer durch die Ruinen der Lagerhallen zum Ganges hinuntergeht, kann Händler und Käufer beim Baden beobachten. Die Kleider legen sie dafür nicht ab.
«Rauchen ist eine Beleidigung» heisst es ein wenig überdramatisch auf Warnschildern im Hotelinneren. Im Garten wurde freundlicherweise ein Kaffeehaustisch mit Aschenbechern ausgestattet. Eine Industriellengattin schwärmt von den Waisenkindern im Missionary of Charity: Sie ist auf dem Rückweg von Schanghai, wo ihre Tochter lebt, und fühlt sich durch Indien auf gesunde Art an die eigenen Privilegien erinnert. Ein Inder aus Washington konnte nach 27 Jahren seine amerikanische Ehefrau überreden, sein Heimatland mit ihm zu besuchen.«Die Korruption in diesem Land ist unheilbar», sagt er ungerührt: «Aber ich habe mir abgewöhnt, daran zu verzweifeln.»
Wer das Park Hotel besucht und nicht aufpasst, stolpert in eine Art Irish Pub mit dröhnenderLive-Musik. Sehr viel empfehlenswerter sind die zum Hotel gehörenden Clubs Tantra (vom Namen nicht abschrecken lassen!) und Roxy. Ein Mix aus besser gestellten jungen Indern, früher hätte man sie Yuppies genannt, und ein paar Expats lauscht mit Lokalkolorit aufgemotzten Klassikern: «I got the Power» mit ein bisschen Sitar. Die Stimmung ist neugierig – eine Hose von Junya Watanabe reicht bereits für ein halbstündiges Gespräch – und ein bisschen angespannt: die Mädchen hier haben in der Regel einen Begleiter, der vor der Tür Wache steht, wenn diese auf Toilette gehen.
Das Museum ist das neuntälteste der Welt: Es wurde 1814 gegründet und zog 1878 in das jetzige Gebäude. Der Besuch ist unbedingt zu empfehlen. Einige Galerien sind prall gefüllt mit exquisiten Skulpturen: aufreizend ineinander verschlungene Paare, diverse Götter in interessanten Inkarnationen und eine spektakuläre, Jahrhunderte alte Tempelkonstruktion aus Holz. In anderen Sälen finden sich unzählige Mineralien, unbeschriftet in raumhohen, staubigen Vitrinen gestapelt. Die Wächter über diese gigantische Geröllsammlung sitzen barfüssig auf Plastikstühlen und schlummern.
Nach dem Indian Museum kann die Besichtigung des nahe gelegenen Gebäudes, in dem die jüngere indische Geschichte dokumentiert wird, nur eine Enttäuschung sein. Deshalb nur so viel: Vom Taxi aus sieht es grossartig aus.
Die fürs Studium in den nahe gelegenen Universitäten erforderlichen Lehrbücher sind von begrenztem Interesse. In einer der Gassen aber treffe ich auf einen Buchhändler, wie er, naja, im Buche steht: Auf meine Frage nach zeitgenössischer indischer Literatur stapelt er mehr und mehr Werke auf meinen Schoss, erläutert Biografie und Stil der Autoren. Der Mischung aus Geschäftssinn und Belesenheit kann ich nur widerstehen, weil ich sicher davon ausgehe, auch auf dem Rückweg mein Gepäck zu verlieren. Das Coffee House in der Bankin Chatterjee Street ist betriebsam und hektisch, aber verglichen mit fast jedem anderen Ort in Kolkata eine Oase.
Lungi sind die karierten Tücher, die um die Hüfte gewickelt als Hosen getragen und für praktisch jeden anderen Zweck genutzt werden können. Für Einheimische sind sie ungefähr so prestigeträchtig wie eine Rolle Küchentücher, ich konnte den unzähligen Karovarianten dieser praktisch unverwüstlichen Stoffe nicht widerstehen. Die staatlich lizenzierten Läden gelten als zuverlässig, was Preisgestaltung und Farbechtheit betrifft. Eine der Filialen befindet sich zwei Strassen vom Hotel in der Neli Sengupta Sarani. Für etwa einen USD lässt sich kaum ein besseres Souvenir finden.
Unbedingt ein normales Yellow Cab buchen. Die Deckenhöhe ist niedrig, eine Klimaanlage haben sie nicht, dafür kann man noch einmal den Abschiedssmog inhalieren, während der mitreissende Irrsinn dieser Stadt vorbeizieht: die Slums, die Autohäuser, die verrotteten, vollgestopften Busse, die handgezogenen Rikschas, die Handywerbung. Bei der Ankunft am Flughafen möchte man sich die Haare waschen.
Unzählige Anrufe beim Flughafen landeten im Nichts. Aber nun, in einem mit hunderten Gepäckstücken gefüllten Raum befindet sich wunderbarerweise irgendwo meine verlorene Tasche. Wegen der langwierigen Abholformalitäten verpasse ich fast meinen Flug. Als beim Security Check vier barfüssige, langbärtige Herren eine geheimnisvolle Truhe auf einer Decke durch den Scanner manövrieren, ist der nächste Besuch trotzdem bereits fest eingeplant.
Dieser Artikel erschien im Original in der Kuoni-Publikation "Link".
Fotos: DER Touristik Suisse AG